Lieferantenbewertung ISO 9001
Wie funktioniert eine Lieferantenbewertung nach ISO 9001?
Das Thema Lieferantenbewertung ist eine der wesentlichen Methoden im Beschaffungsprozess. „Die Organisation muss Kriterien für die Beurteilung, Auswahl, Leistungsüberwachung und Neubeurteilung externer Anbieter bestimmen und anwenden, die auf deren Fähigkeiten beruhen, Prozesse oder Dienstleistungen in Übereinstimmung mit den Anforderungen bereitzustellen.“ (vgl. ISO 9001:2015 – 8.4.1)
Gängige bzw. etablierte Methoden zur Lieferantenbewertung lassen sich mit einem Perspektivwechsel auf die Kunden-Lieferanten-Beziehung ableiten. Dabei können die Lieferantenwahrnehmungen als Erfüllungsgrad ermittelt und deren Erhöhung angestrebt werden. Als Best Practice kann eine Kennzahl festgelegt und überwacht werden, die höhere Transparenz des Lieferantenstamms ermöglicht.
Da die beschafften Produkte und Dienstleistungen sehr vielfältig sind, ist der Erfüllungsgrad den Gegebenheiten entsprechend anzupassen. Dazu steht eine Reihe von Methoden zur Verfügung, deren Ergebnis letztlich zu einzelnen Kriterien führen mit denen die Eigenschaften:
- Fehlerfreiheit,
- Termintreue,
- Mengentreue und
- Service
bewertet werden.
Die zur Verfügung stehenden Kriterien werden mittels Bewertungsschema und Gewichtung für die wesentlichen Lieferanten beurteilt und zu einer Kennzahl aggregiert – dem Erfüllungsgrad für Lieferantenwahrnehmungen bzw. der Lieferantenzufriedenheitsquote.
In der Praxis werden häufig die möglichen Kriterien zur Ermittlung der Lieferantenwahrnehmung nicht erkannt und auch das Priorisieren und Verdichten zu einer Kennzahl erfolgt in vielen Fällen nicht.
Warum ist eine Lieferantenbewertung wichtig?
Jede Organisation muss sicherstellen, dass die gelieferten Produkte oder Dienstleistungen (z.B. Teile für die Produktion und deren Begleitdokumente) den Anforderungen entsprechen. Um Vertrauen in den externen Anbieter zu erhalten, muss ein Bewertungsprozess eingeführt sein. Dieser sollte flexibel sein, da nicht alle Zulieferer den gleichen Einfluss auf das schlussendliche Produkt bzw. die Dienstleistung haben.
Die Kriterien zur Auswahl, Erstbeurteilung und Folgebewertung von externen Lieferanten müssen festgelegt und angewendet werden. Die Ergebnisse müssen unter Berücksichtigung von Art und Umfang sowie den potenziellen Auswirkungen der zugekauften Leistung kontrolliert und überwacht werden (Lieferantenbewertung).
Die Verifizierung der bereitgestellten Produkten, Prozesse oder Dienstleistungen wird durch entsprechende Methoden wie Wareneingangsprüfungen, Einsicht in Prüfprotokolle, Überprüfung von Zertifikaten, Werksabnahmen oder Lieferantenaudits sichergestellt.
Schließlich muss die Organisation die jeweiligen Lieferanten fortlaufend in regelmäßigen Abständen und nach den festgelegten Kriterien überprüfen und neu bewerten. Entscheidende Kriterien sollten mittels Bewertungsschema zu einer Kennzahl aggregiert werden – dem Erfüllungsgrad für Lieferantenwahrnehmungen bzw. der Lieferantenzufriedenheitsquote.
Um potenziellen Lieferanten bzw. externen Anbietern die Möglichkeit zur Qualifikation zu geben, sollten diese in speziellen Qualifizierungsprojekten oder durch bereitgestellte Produkte (Erstmuster) bewertet werden.
Die Ergebnisse der Erst- und Folgebeurteilungen müssen aufbewahrt werden.
Best Practice Methoden zur Lieferantenbewertung
Da die Produkte und Dienstleistungen von Organisationen sehr unterschiedlich sind, müssen die Methoden zum Einholen, Überwachen und Überprüfen der Lieferantenerwartung festgelegt werden, was in einer Prozessbeschreibung erfolgt.
Die Methoden können sowohl interne als auch externe Leistungsindikatoren berücksichtigen, wobei direkte Rückmeldungen des Lieferanten sicherlich stärker zu gewichten sind. Damit die Ergebnisse aussagekräftig sind, sollten Methoden bevorzugt werden, die auf objektiven Nachweisen basieren.
Kriterium | Direkte Lieferantenrückmeldung | Objektive Nachweise |
Reklamationen | Ja | Ja |
Reklamationskosten | Ja | Ja |
Lieferantengespräche | Ja | Nein |
Rückrufe / Rückrufaktionen | Ja | Ja |
Lieferqualität (Fehlerfreie Produkte/ Dienstleistungen) | Ja | Ja |
Lieferqualität (Fehlerfreie Dokumente) | Ja | Ja |
Lieferkette (Pünktliche Lieferungen) | Ja | Ja |
Lieferkette (Pünktliche Dokumente) | Ja | Ja |
Lieferkette (Ablaufstörung Beistellungen/ Sonderfahrten) | Nein | Ja |
Zertifizierung | Ja | Ja |
Geschäftsbeziehungen (Rahmenvertrag) | Ja | Ja |
Geschäftsbeziehungen (Qualitätssicherungsvereinbarung – QSV) | Ja | Ja |
Geschäftsbeziehungen (Zahlungskriterien) | Nein | Ja |
Abbildung 1 Kriterien zur Bewertung von Lieferanten
Um ein aussagekräftiges Ergebnis zu erhalten, sollte ein repräsentatives Lieferantenportfolio berücksichtigt werden. So können z.B. die wesentlichen Schlüssellieferanten nach Umsatzstärke und/oder strategischen Kriterien festgelegt werden. Im Anschluss werden die dargestellten Methoden näher vorgestellt.
Reklamationen / Reklamationskosten
„Eine Reklamation ist der Ausdruck der Unzufriedenheit, die gegenüber einer Organisation in Bezug auf deren Produkt oder Dienstleistung … zum Ausdruck gebracht wird“ (vgl. ISO 9000, Kapitel 3.9.4). Reklamationskosten setzen sich zusammen aus den Kosten für:
- Bearbeitung der Reklamation selbst (z.B. Vorgangspauschale für die Abwicklung)
- Sofortmaßnahmen (Warenwert für Ersatzlieferungen, Lohnkosten, Gutschriften aus Kulanz)
- Abstellmaßnahmen für Reklamationen an Lieferanten (Aufwand für Analysen, Kommunikation, Schulungen, Materialkosten für Bauteile, Erstmuster, u.a.m.)
Werden die Reklamationskosten als Indikator für die Lieferantenbewertung herangezogen, sollte für die wichtigen Lieferanten der Umsatzanteil mit dem Lieferanten berücksichtigt werden, um Verhältnismäßigkeit zu erzielen.
Rückrufe / Rückrufaktionen
Rückrufe bzw. Rückrufaktionen sind Maßnahmen zur Rückgabe fehlerhafter Ware. Diese sind vor allem aus der Lebensmittel- oder der Automobilindustrie bekannt und werden dann durchgeführt, wenn ein deutlich erhöhtes Risiko für die Anwender oder Verbraucher besteht.
Lieferqualität
Die Lieferqualität kann anhand interner Daten ermittelt werden, z.B. effektiv aus der Wareneingangsprüfung. Unter anderem folgende strategischen Kriterien beschreiben die Lieferqualität:
- Fehlerfreie Lieferungen – Lieferungen ohne Fehler/Qualitätsmangel
- Fehlerfreie Produkte/Teile – Produkte/Teile ohne Fehler/Qualitätsmangel
- Fehlerfreie Begleitdokumente – Lieferschein, Prüfbescheinigung, u.a.m.
- Fehlerfreie EMPB/PPAP – Erstmusterprüfberichte/ Production Part Approval Processes ohne Fehler/Qualitätsmangel
Wie auch bei anderen Indikatoren zur Lieferantenbewertung, sollte für die wichtigen Lieferanten die Lieferqualität ins Verhältnis zu den Umsätzen mit dem Lieferanten gesetzt werden.
Lieferkette
Die Lieferkette (engl. Supply Chain) beschreibt den gesamten Prozess von der Beauftragung des Lieferanten bis zur Anlieferung und Bezahlung des Produkts oder der Dienstleistung. Sie umfasst somit die gesamte Lieferkette von der Planung, Durchführung und Überwachung sowie aller Aktivitäten zum Material- und Informationsfluss mit dem Ziel der Termin- und Mengentreue.
Zertifizierung
Zertifizierung ist die Bestätigung für eine Organisation bzw. ein Unternehmen, dass sie/es vorgegebene Standards oder Richtlinien einhält. Die Zertifizierung wird von unabhängigen Zertifizierungsstellen aufgrund eines definierten Zertifizierungsprozesses ausgesprochen (Third-Party-Audits). In verschiedenen Branchen z.B. der Automobil- oder Lebensmittelindustrie werden verschiedene Zertifizierungsstandards als möglicher Lieferant vorausgesetzt.
Geschäftsbeziehungen
Ein weiterer – in der Regel begleitender Indikator für die Wahrnehmung des Lieferanten – können die Geschäftsbeziehungen mit dem Lieferanten sein. Diese stellen einen Rahmen für die vertrauensvolle Zusammenarbeit zur Verfügung und sorgen für einen partnerschaftlichen Umgang. Kriterien für Geschäftsbeziehungen können sein:
- Abgestimmter Rahmenvertrag mit dem Lieferanten über Mengen, Preise & Abrufe
- Abgestimmte Qualitätssicherungsvereinbarung (QSV) über Qualitätsmerkmale & Toleranzen
- Einhaltung von Zahlungsfristen, Pünktliche Bezahlung der Kreditoren
- Nutzung von Zahlungsvereinbarungen, z.B. Skonto
Zyklus der Durchführung
Sinnvollerweise wird die Methode zur Lieferantenbewertung kontinuierlich durchgeführt: immer, wenn neue Informationen vorliegen, wird die Bewertung fortgeschrieben. Die Vorteile sind offensichtlich: Einerseits gelingt es so, die Änderungen in Zufriedenheitswerten zu berücksichtigen und anzupassen. Andererseits können festgestellte „Abweichungen“ frühzeitig zur Verbesserung der Lieferantenbeziehung in Maßnahmen umgesetzt werden.