Gefährdungsbeurteilung erstellen

„Wie soll eine Gefährdungsbeurteilung aussehen?“

Grundlagen für die Erstellung von Gefährdungsbeurteilungen sind das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und die DGUV Vorschrift 1 „Grundsätze der Prävention“. In den Abschnitten:

  • §5 ArbSchG „Beurteilung der Arbeitsbedingungen“,
  • §6 ArbSchG „Dokumentation“,
  • §3 DGUV Vorschrift 1 „Beurteilung der Arbeitsbedingungen, Dokumentation, Auskunftspflichten“

sind die Forderungen an die Gefährdungsbeurteilung beschrieben.

Zur Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung ist eine Prozesskette zu realisieren, die wiederkehrend und bei Änderungen zu durchlaufen ist. Verantwortlich für die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung ist die Unternehmensleitung.

Wesentliche Schritte bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung sind:

  • Arbeitsbereiche und Tätigkeiten erfassen
  • Mögliche Gefährdungen ermitteln
  • Die ermittelten Gefährdungen beurteilen
  • Schutzmaßnahmen festlegen
  • Festgelegte Maßnahmen durchführen
  • Wirksamkeit der Maßnahmen überprüfen
  • Dokumentieren und fortschreiben

Grundlagen der Gefährdungsbeurteilung

Das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) verpflichtet jeden Arbeitgeber „eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind. Der Arbeitgeber hat die Beurteilung je nach Art der Tätigkeiten vorzunehmen. Bei gleichartigen Arbeitsbedingungen ist die Beurteilung eines Arbeitsplatzes oder einer Tätigkeit ausreichend.“

Die wesentlichen Forderungen in Zusammenhang mit der Gefährdungsbeurteilung im ArbSchG sind:

  • §5 Beurteilung der Arbeitsbedingungen – Pflicht zur Beurteilung der Arbeitsplätze bzw. Tätigkeiten und erforderlicher Maßnahmen,
  • §6 Dokumentation – Pflicht zur Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung und von Unfällen.

Durch die Gefährdungsbeurteilung sollen vorausschauend Gefährdungen erkannt und abgestellt werden, bevor sie zur Gesundheitsgefahr durch Unfälle oder Berufskrankheiten werden. Mit dieser Beurteilung beginnt der Schutz von Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten am Arbeitsplatz.

Verpflichtung

Gemäß Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und der Berufsgenossenschaftlichen DGUV-Vorschrift 1 ist der Arbeitgeber verpflichtet, für Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten am Arbeitsplatz zu sorgen. Arbeitsschutz ist immer Chefsache!

Das wichtigste Instrument zur Umsetzung dieser Verpflichtung ist die Gefährdungsbeurteilung. Der Arbeitgeber kann zuverlässige und fachkundige Personen schriftlich damit beauftragen, ihm obliegende Aufgaben in eigener Verantwortung wahrzunehmen. Unterstützung bei der Erstellung von Gefährdungsbeurteilungen erhält der Arbeitgeber z.B. von der Fachkraft für Arbeitssicherheit oder dem Betriebsarzt. Eine Beauftragung sollte immer schriftlich erfolgen und genau beschreiben, welche Aufgaben und Kompetenzen übertragen werden.

Die rechtliche Verantwortung für die Beurteilung bleibt aber in jedem Fall beim Arbeitgeber. Er ist verpflichtet, die Durchführung zu kontrollieren. Durch regelmäßige Prüfung und Bestätigung per Unterschrift auf der Dokumentation zur Gefährdungsbeurteilung kann der Arbeitgeber die Kontrolle effektiv nachweisen.

Durchführung

Es gibt keinen vorgeschriebenen Weg für die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung. Vielmehr sollen sich Umfang und Methodik der Gefährdungsbeurteilung immer an den konkreten betrieblichen Gegebenheiten und Voraussetzungen orientieren. In der Praxis haben sich folgende 7 Schritte bewährt (Abbildung 1):

  1. Arbeitsbereiche und Tätigkeiten erfassen
  2. Gefährdungen ermitteln
  3. Gefährdungen beurteilen
  4. Schutzmaßnahmen festlegen
  5. Maßnahmen durchführen
  6. Wirksamkeit der Maßnahmen überprüfen
  7. Dokumentieren und fortschreiben
7 Schritte zur Gefährdungsbeurteilung

Abbildung 1: 7 Schritte zur Gefährdungsbeurteilung – Bildquelle: BG ETEM

Dokumentation

Gemäß Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) besteht in Unternehmen unabhängig von ihrer Betriebsgröße eine Dokumentationspflicht. Danach muss der Arbeitgeber über Unterlagen verfügen, die

  • das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung,
  • die darauf gestützten Maßnahmen des Arbeitsschutzes und
  • das Ergebnis ihrer Überprüfung

dokumentieren. Vorgaben zur Art der Unterlagen gibt es nicht. Der Arbeitgeber kann die für seinen Betrieb am besten geeignete Unterlagenart verwenden. Die Dokumentation kann in Papierform aber auch in digitaler Form erfolgen. Zu beachten ist, dass Arbeitsschutzvorschriften spezielle Anforderungen an die Dokumentation beinhalten können. Diese sind z.B. in der Betriebssicherheitsverordnung oder der Gefahrstoffverordnung enthalten.

Systematik

Um einen systematischen Ansatz zu erreichen, wird für die Gefährdungsbeurteilung im Wesentlichen die in Abbildung 2 dargestellte Prozesskette durchlaufen.

Gefährdungsbeurteilung

Abbildung 2:   Prozesskette zur Durchführung der Gefährdungsbeurteilung

Werden im Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung die Kriterien nicht erfüllt, sind geeignete Maßnahmen festzulegen und zu überwachen sowie deren Wirksamkeit zu bewerten. Die festgelegten Maßnahmen sollten der TOP-Hierarchie unterliegen:

  • Technische Maßnahmen
  • Organisatorische Maßnahmen
  • Personenbezogenen Maßnahmen

Technische Maßnahmen sind organisatorischen Maßnahmen und personenbezogenen Maßnahmen vorzuziehen.

Faktoren für die Gefährdungsbeurteilung

In der betrieblichen Praxis hat es sich bewährt, die Gefährdungs- und Belastungsfaktoren systematisch zu erfassen und zu beurteilen. Faktoren für die Gefährdungsbeurteilung können sein:

  1. Grundlegende organisatorische Faktoren
  2. Gefährdung durch Arbeitsplatzgestaltung
  3. Gefährdung durch ergonomische Faktoren
  4. Mechanische Gefährdung
  5. Elektrische Gefährdung
  6. Gefährdung durch Stoffe / Einsatz von Arbeitsstoffen
  7. Gefährdung durch Brände/Explosionen
  8. Biologische Gefährdung
  9. Physikalische Gefährdung
  10. Psychische Belastungsfaktoren
  11. Sonstige Gefährdungs- und Belastungsfaktoren

Ein ausführlicher Gefährdungskatalog steht auf den Seiten der Berufsgenossenschaft BG RCI zum Download bereit.

Gefährdungsbeurteilungen in der Praxis

In der Praxis trifft man verschiedene Ausführungstiefen und -arten von Gefährdungsbeurteilungen. Soweit alle geforderten Kriterien behandeln werden, sind diese als normkonform zu bezeichnen:

  • Rein tabellarische Gefährdungsbeurteilungen mit kurzen Beurteilungen,
  • Prosaische Gefährdungsbeurteilungen mit sehr ausführlichen Textpassagen ohne gestaltende Elemente,
  • Kombinierte Gefährdungsbeurteilungen bestehend aus Text, Tabellen und Diagrammen.

Die in Gefährdungsbeurteilungen häufig vorzufindende Praxis sowie Best-Praxis-Erfahrungen und deren Stärken und Schwächen sind in Abbildung 3 dargestellt.

Häufige Praxis

Beste Praxis

Verpflichtung

Insbesondere wenn die beauftragte Person ein/e eigene/r Beschäftigte/r ist, fehlt eine schriftliche Beauftragung durch den Arbeitgeber.

Für die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung beauftragte Personen sind schriftlich beauftragt. Die Kompetenzen sind eindeutig beschrieben. Die Bestätigung der Freigabe wird schriftlich bestätigt.

Durchführung

Die 7 Schritte zur Gefährdungsbeurteilung werden nur unvollständig durchlaufen, insbesondere fehlt häufig die Prüfung der Wirksamkeit von Maßnahmen.

Die 7 Schritte zur Gefährdungsbeurteilung werden vollständig durchlaufen.

Dokumentation

Die Gefährdungsbeurteilung liegt in Papierform vor, ist aber für Beschäftigte nicht jederzeit einsehbar. Die Forderungen anderer Rechtsquellen wie z.B. der Gefahrstoffverordnung GefStoffV §6(9) – Explosionsschutzdokument werden nicht berücksichtigt.

Die Gefährdungsbeurteilung liegt sowohl digital als auch in Papierform vor und ist für alle Beschäftigten jederzeit einsehbar. Die Forderungen anderer Rechtsquellen werden berücksichtigt.

Systematik

Die Prozesskette wird in der Regel nicht vollständig abgebildet. Häufig fehlt die Dokumentation der Wirksamkeitsprüfung.

Die Prozesskette wird vollständig abgebildet. Die zum Zeitpunkt der Durchführung vorherrschende Situation ist nachvollziehbar.

Abbildung 3:   Stärken & Schwächen in Gefährdungsbeurteilungen

Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen mit Software

Sinnvollerweise werden Gefährdungsbeurteilungen mehrfach unterjährig aktualisiert und zwingend bei Bedarf. Ein Bedarf zur Aktualisierung besteht immer dann, wenn Bedingungen am Arbeitsplatz verändert werden (vgl. ArbSchG §5(3):

  1. die Gestaltung und die Einrichtung der Arbeitsstätte und des Arbeitsplatzes,
  2. physikalische, chemische und biologische Einwirkungen,
  3. die Gestaltung, die Auswahl und den Einsatz von Arbeitsmitteln, insbesondere von Arbeitsstoffen, Maschinen, Geräten und Anlagen sowie den Umgang damit,
  4. die Gestaltung von Arbeits- und Fertigungsverfahren, Arbeitsabläufen und Arbeitszeit und deren Zusammenwirken,
  5. unzureichende Qualifikation und Unterweisung der Beschäftigten,
  6. psychische Belastungen bei der Arbeit.

Die betrieblichen Gegebenheiten in Unternehmen ändern sich immer dynamischer. Daher sollte zur Erstellung und Aktualisierung der Gefährdungsbeurteilung eine Software eingesetzt werden. Neben den ermittelten Gefährdungen sollten dort auch die festgelegten Maßnahmen dokumentiert und überwacht werden.